Vor 70 Jahren veröffentlichte die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir ihre Schrift "Le Deuxième Sexe" (deutsche Übersetzung: "Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau", 1951). Obwohl das Buch seit seiner Veröffentlichung bereits als historisch bezeichnet wird, könnte es nicht mehr dem aktuellen Zeitgeist entsprechen.
Hallo mal wieder. Zwei Jahre war Funkstille auf diesem Blog. Viel ist bei mir persönlich passiert, die Schule ist vorbei, und ich finde mich gerade in einem Marketing Kurs in Boston wieder. Was gleich geblieben ist, ist meine Freude am schreiben, am diskutieren und austauschen. Also beleben wir das ganze hier wieder, oder?
Von Frauen wird überall erwartet, dass sie sich wie Frauen benehmen. Ob sie diesem Standard genügen, darüber urteilt die ganze Gesellschaft. Doch was ist eine Frau? Was ist ihr Wesen? Seltsamerweise wird diese Frage nur in Bezug auf Frauen gestellt. Kein Mann muss sich rechtfertigen ein Mann zu sein. In vielen Sprachen ist sogar das Wort für „Mann“ mit dem für „Mensch“ identisch. Der Mann ist stets der Normalfall. An ihm wird die Frau gemessen. In Bezug auf ihn ist sie nur das Andere, meist das Mangelhafte und Unwesentliche. Und obwohl die Trennlinie zwischen Mann und Frau so natürlich, so "angeboren" scheint, ist es nach Beauvoir, eine Frau (oder ein Mann) zu sein, eine soziale Tatsache, nicht etwa ein vorherbestimmtes Schicksal. Sie zeigt deutlich, wie sehr Frauen in ihren Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten durch ihre vom Mann abgeleitete Existenz eingeschränkt werden, doch entlässt sie Frauen nicht aus der eigenen Verantwortung für ihre Situation. Ich finde es durchaus mehr als Besorgnis erregend wie groß das Ausmaß der Propaganda, dem Mädchen und junge Frauen in sozialen Netzwerken heute in Bezug auf Körperpolitik ausgeliefert seien. Aber nicht nur das Frauenbild, das mitunter in sozialen Netzwerken präsentiert wird, macht de Beauvoirs feministischen Klassiker auch 70 Jahre nach Veröffentlichung noch lesenswert.Es sind die zahlreichen Versuche, Frauen, die trotz aller Widrigkeiten hohe Ämter bekleiden, zu verunglimpfen und klein zu halten. Eine Dokumentation über Deutschlands ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Arte hat gezeigt, wie sich Angela Merkel im männerdominierten Politikbetrieb behauptet hat. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock wurden immer wieder Kompetenz und Erfahrung abgesprochen. Jetzt appellierte sie bei der UN-Vollversammlung in New York an die Weltgemeinschaft und warb für eine Resolution gegen Russland.
Mir persönlich beantwortet Beauvoir die Fragen warum es beispielsweise für ein Mädchen ein Kompliment sein soll, etwas so gut wie ein Junge zu können, und wieso andersherum etwa eine Beleidigung daraus wird. Und ich habe von Simone de Beauvoir gelernt, dass es sich lohnt, seinen eigenen Weg zu gehen – mit Überzeugung und Leidenschaft. Sie hat konsequent das gelebt, wofür sie theoretisch einstand und hat dafür in Kauf genommen, mit einem skandalösen Ruf zu leben. Die Veröffentlichung von „Das andere Geschlecht“ begleitete ein analoger Shitstorm mit persönlichen Beleidigungen auf der Straße und Vergewaltigungsfantasien in Leserbriefen. Aber ihr Weg war, immer weiter für die Selbstbestimmung der Frau zu kämpfen. Und das will ich auch, zum Beispiel durch meinen geplanten Berufseinstieg in die Männerdominierteste Branche schlechthin: das Bank- und Finanzwesen. Ganz gleich ob Mann oder Frau oder irgendwas dazwischen, Selbstbestimmung und das Recht auf Individualität ist essenziell in einer von Normativ und Standards geprägten Gesellschaft. Die Außnahme zur Regel zu sein, das schwarze Entlein zu verkörpern soll und darf die neue Regel sein.