Mittwoch, 2. September 2020

Wenn wegschauen rechts macht

Am Wochenende demonstrieren ungefähr 38.000 Personen in Berlin gegen die Corona Regelungen, für "Freiheit und Liebe". Die Duldung von Rechtsextremen in den Demonstrantenreihen hat bei mir Fragen aufgeworfen, vor allem in Kombination mit dem "Sturm" auf den Reichstag. Neben unzähligen Reichsflaggen findet man auf Plakaten Sprüche, wie  »Maulkorb-Demokratie - ohne uns«, »Stoppt den Corona-Wahnsinn« und »Corona-Diktatur beenden«. Immer wieder skandiert die Menge »Widerstand« und »Wir sind das Volk«. Auf Plakaten sind demokratisch gewählte Politiker*innen in Sträflingskleidung zu sehen, Menschen meditieren, andere schreien "Putin-Putin". Festgenommen wurde vor der russischen Botschaft, neben ca 300 weiteren Personen, auch der Vegan -Koch Attila Hildmann, der sich selbst »ultrarechts« und einen Verschwörungsprediger nennt. 

Die Demonstration in Berlin am Samstag war somit eine der größten rechtsextremen Demonstrationen der jüngsten Zeitgeschichte. Offen wurde verkündet, dass Andersdenkende verhaftet und teilweise hingerichtet werden sollten, dass  die Verfassung abgeschafft werden solle und die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen versucht werde.  Die Akzeptanz von rechtsradikalen Symbolen und Äußerungen lassen sich als stille Zustimmung werten. Wenn die Bewegung so etwas akzeptiert, dann hat sie auch kein Problem mit dem Nationalsozialismus. Wer mit Reichsbürger*innen oder Mitgliedern der Identitären Bewegung mitmarschiert und sich nicht klar distanziert, macht sich zum Mittäter und Steigbügelhalter. Sich kritisch gegen Auflagen äußern und über Geschehens zu reflektieren, soll weiter möglich sein, jedoch nur, wenn dem Raum nach rechts kein Platz gegeben wird. So muss abgewogen werden, ob mit Leuten, die eine Monarchie oder "Führerstaat" errichtet wollen, für die Demokratie und Meinungsfreiheit demonstriert werden kann. Ich glaube nein. Und das bestätigen auch die Statistiken: 


60 Prozent der Deutschen finden, laut Politbarometer der Süddeutschen Zeitung, die Corona-Politik von Bund und Ländern richtig. 28 Prozent ist sie zu lasch, und nur zehn Prozent zu hart. Diese letzte Gruppe umfasst viele Zehntausend Menschen, für die schon Abstandsgebot und Mund-Nasen-Bedeckung ausreichen, um jedes Maß zu verlieren und von "Totalitarismus" zu faseln. Deutschland ist ein Staat, in dem man sich gegen von der Regierung aufgelegte Regelungen mittels Verwaltungsgerichten stellen kann. 

Als letzte Frage nun an die Demonstrant*innen, die für Freiheit "kämpfen" und das "Regime abschaffen" wollen: schon einmal in Belarus gewesen? Über die Putin-Rufer bedarf es an dieser Stelle gar nicht mehr einzugehen. 




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