Sonntag, 17. Februar 2019

Cougartown

Hallo ihr Lieben!
Vergangene Woche habe ich Mittwoch bis Samstag im Norden Arizonas auf einem Camping Gelände mit Holzhütten und viel Natur verbracht. Wieso? Davon möchte ich euch nun berichten.
Jährlich ernennt meine Schule circa fünf Prozent der Schüler zu Abgeordneten, die im Februar für vier Tage vom Unterricht entschuldigt werden und gemeinsam in ein Camp fahren. Dessen Fokus liegt darin den Schülern die Augen zu öffnen bezüglich Geschlechtern und kultureller Diversität und gleichzeitig Gemeinsamkeiten zwischen allen Menschen zu erkennen. Man nimmt teil in großen Gruppen Aktivitäten sowohl als auch kleinen Diskussionsgruppen, um von anderen zu lernen, sich selbst mitzuteilen, sich zu öffnen und als Vorbild und Leiter einer Gruppe zu wachsen.
Das mag wohl Sinn machen, doch wie kann man eine so große Gruppe an Schülern in so kurzer Zeit so sehr berühren und wirklich einen positiven Einfluss nehmen?
Erst ein mal wurden uns die Handys abgenommen, was auf jeden Fall zu echteren Konversationen und Offenheit geführt hat. Nach ein paar kennenlern- Spielen haben wir den Mittwochabend bis spät in die Nacht (1 Uhr) damit verbracht, über verschiedene Ethnien zu reden und welche Vorurteile die Gesellschaft und man selbst mit ihnen verbindet. Dadurch, dass wir eine so unglaublich bunte Gruppe waren, waren Native Americans, Afro Amerikaner, Hispanics, Europäer, Afrikaner, Asiaten und Leute des Mittleren Ostens vertreten. Nachdem die Listen angefertigt waren, haben diejenigen, die sich dieser Gruppe angehörig fühlen die Liste vorgelesen. Es hat geschmerzt zu zusehen, wie viele Vorurteile die Betroffenen verletzt haben. Danach ging es dann im generellen um Diskriminierung. Es gibt 9 Stufen der Diskriminierung:
1. Verallgemeinerung
2. Stereotypen
3. verbale Diskriminierung
4. Vermeidung
5. Ausschluss
6. körperliche Gewalt
7. Mord
8. Genozid
9. "R2D3" das bedeutet ungefähr, dass man die Diskriminierung gut redet und Ausreden findet.
Zu jedem Level haben die leitenden Schüler und Lehrer eine kleine Schauspielszene vorbereitet um das so eben gelernte besser zu veranschaulichen. Sie haben es so real vorgespielt, dass es viele zu Tränen gebracht hat. Nach jeder Aktivität wurden Gefühle und nach dem Grund und den Folgen des Getanen gefragt und gemeinsam besprochen, so dass niemand überfordert war. Der langen Nacht folgte ein kurzer Schlaf und dann der Start in einen neuen Tag. Dieser war den Geschlechtern gewidmet. Wieder wurden Listen angefertigt, wobei die Jungen und Mädchen allerdings getrennt waren.  Beide hatten die gleiche Arbeitsanweisung: Was sind Frauen/Männer? Was sollen Frauen/ Männer sein? Diese Fragen sollten mit dem persönlichen Empfinden und bekannten Vorurteilen oder generellen Meinungen der Gesellschaft beantwortet werden. Am Abend wurden die Listen vom jeweils anderen Geschlecht vorgelesen. Über den Tag verteilt haben wir über die typische Rollenverteilung gelernt und wie zum Beispiel Werbesendungen oder Plakate dies uns im Unterbewusstsein ein. Es wurde auch über Redewendungen, wie "Männer weinen nicht" oder "Das ist nicht Lady-like" geredet und wie das uns beeinflusst. Danach wurden Statements vorgelesen, wie "wer sich schon einmal nicht männlich gefühlt hat, soll aufstehen" oder "Habt ihr schon einmal jemandem weh getan, um eure Männlichkeit zu beweisen" und so weiter. Dies hat uns gezeigt, dass viele Jungen und Mädchen sich Verhaltensweisen angewöhnen die nicht ihrer Persönlichkeit, aber der Gesellschaft entsprechen. Besonders emotional war eine große Gesprächsrunde, in der alle Mädchen unter sich waren und Geschichten aus ihrem Leben geteilt haben, die sie meistens noch niemandem anvertraut haben. Es hat mir wehgetan zu sehen und hören, wie viele Mädchen schon belästigt oder berührt wurden und wie viele ohne eine Vorbildsfigur aufgewachsen sind oder diese bereits verloren haben. Wir, als neue Schwestern, haben uns dadurch aber sehr stark aneinander gebunden und geöffnet und viele haben nach Jahren endlich damit begonnen ihre Vergangenheit zu verarbeiten.
Der Freitag hat sich im großen und ganzen dann darum gedreht unsere Unterschiede zu feiern und uns trotzdem miteinander zu verbinden. Wir haben einen Kultur Abend vorbereitet, in dem wir uns in Gruppen, wie Athleten, Künstler, Kindern von Immigranten, Gläubigen, Kämpfern und mehr aufgeteilt haben und ein kleines Theaterstück vorbereitet haben, in dem wir diese Gemeinsamkeit darstellen und eine tiefere Botschaft vermitteln. Es war lustig und traurig, jedoch war mein Lieblingsmoment an diesem Abend nach dem Programm, als ein enger Freund von mir sich als schwul geoutet hat.
Der Samstag war dann für mich emotional am schwersten zu verarbeiten. Ohne uns zu erklären, um was es geht und nur mit der Anweisung, dass jegliche Kommunikation verboten sei wurden wir nach Geschlecht und Ethnie aufgeteilt. Die Weißen durften Frühstücken gehen, dort war ich dann und habe mir zu diesem Zeitpunkt noch nichts genaues dabei gedacht. Nach einer Weile sehe ich draußen meine liebsten Freunde in der Kälte warten, ohne sich zu rühren. Als erste bin ich dann nach draußen, mit der Idee, dass es bestimmt eine Lösung gäbe. Nach und nach haben dann Schüler versucht die noch draußen stehenden zum Essen zu bekommen und ins Warme zu bringen. Doch die konnten nur mit "No mixing race " antworten. Es war unglaublich traurig und zum Verzweifeln, da man trotz jedem Versuch nicht helfen konnte. Die Mehrheit konnten wir überzeugen, doch ein paar Schüler blieben stark in ihrer Rolle und sind nicht reingegangen. Was mir aufgefallen ist, wie bunt mein Freundeskreis hier ist, denn meine Freunde waren überall verteilt und es hat mir das Herz gebrochen zu sehen, wie sie weniger wertig behandelt wurden.
Zum Glück wurde alles nach einer guten Stunde aufgelöst und wir hatten uns alle wieder. Diese Simulation hat uns allen gezeigt, wie unglaublich unfair es ist jemanden aufgrund seiner Hautfarbe oder Herkunft zu beurteilen.
Insgesamt haben die Tage mich insofern geändert, dass ich nicht mehr so schnell über Leute urteile und verstehe, dass jeder eine Geschichte zu erzählen hat. Ich will auch versuchen mehr Liebe für jeden zu verteilen und insgesamt eine positive Veränderung in unserer Gesellschaft zu bringen.
Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit und für die vielen Freunde, die ich gefunden habe.

Das wars jetzt erst einmal
P.S.: Ein Eintrag mit den Bildern wird hochgeladen, sobald ich diese zugeschickt bekomme.

Erster Post

Das zweite Geschlecht (The Second Sex)

Vor 70 Jahren veröffentlichte die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir ihre Schrift "Le Deuxième Sexe"...